Postoperative Komplikationen haben nicht nur grossen Einfluss auf die Gesundheit und die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten, sondern sind auch verantwortlich für einen Grossteil der chirurgischen Kosten. Der Klinik ist es daher ein grosses Anliegen, operative Resultate stetig zu verbessern. Die standardisierte Einteilung von Komplikationen, die Clavien-Dindo-Klassifikation, wurde 2004 publiziert und ist heute das weltweit meistverwendete Einteilungssystem von chirurgischen Komplikationen.
Auf Basis der Clavien-Dindo-Klassifikation wurde in der Klinik für Viszeralchirurgie ein neuer Index entwickelt, der Comprehensive Complication Index (CCI®). Der CCI® erfasst alle Komplikationen, auch nach dem Austritt der Patient*innen und drückt sich in einer Zahl zwischen 0 und 100 aus (0 = keine Komplikation, 100 = Tod des Patienten). Dieser Index dient als wichtiger Outcome-Endpunkt bei Benchmarking-Untersuchungen.
Benchmarking in der Chirurgie
Zur chirurgischen Qualitätsverbesserung wird das Konzept des Benchmarkings umgesetzt. Man bestimmt dabei ein Resultat, das man gerne verbessern möchte, zum Beispiel die Morbidität nach Lebertransplantationen. Zuerst wird die Benchmark erstellt, das heisst es werden für die spezifische Operation die Patient*innen mit dem zu erwartenden besten Resultat herausgefiltert. Für den Vergleich ausgewählt werden Patienten mit wenig Begleiterkrankungen, die von Fachleuten in Zen-trumsspitälern operiert werden. Die postoperativ aufgetretenen Komplikationen ergeben die Benchmark, an der sich einzelne Chirurgen und Chirurginnen oder Spitäler messen können. Somit werden anonym ungenügende Resultate entdeckt und die involvierten Prozesse können überprüft und verbessert werden.
Die exakte Erfassung postoperativer Komplikationen hat in der Klinik für Viszeralchirurgie einen besonderen Stellenwert und ist in den letzten Jahren zu einem wichtigen Bestandteil der täglichen Routine geworden. Der von unserer Klinik eingeführte und mittlerweile in vielen Kliniken angewendete CCI® hat hierbei den Vorteil, dass sämtliche Komplikationen aller Schweregrade in einer einzigen Zahl ausgedrückt werden können. Da insbesondere bei grösseren Operationen ein wesentlicher Anteil der Komplikationen erst im weiteren Verlauf auftritt, hat sich die standardisierte Erfassung der Morbidität mit dem CCI® 30 beziehungsweise 90 Tage nach der Operation bewährt.
In der Klinik für Viszeralchirurgie wurden für Leberoperationen, Lebertransplantationen, Speiseröhrenresektionen, Bauchspeicheldrüsenoperationen sowie für die bariatrische Chirurgie Benchmarks gesetzt. Seit einigen Jahren schon wird jede aufgetretene Komplikation konsequent bis zum Austritt des Patienten prospektiv erhoben. Patientinnen und Patienten mit einem komplizierten Verlauf nach einer Operation werden an den wöchentlichen Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen besprochen. Denn nur im offenen Umgang mit Komplikationen kann für sie das beste Resultat erreicht werden.
CCI für die Ösophagusresektionen exemplarisch dargestellt und aufgeteilt in Benchmark- versus Non-Benchmark-Patienten
Im Jahr 2020 wurden am USZ 30 Ösophagusresektionen durchgeführt. Sieben dieser Fälle erfüllten Benchmark-Kriterien (ASA Score </=2, Alter bis 65 Jahre und BMI zwischen 19–29kg/m2) und hatten somit ein niedriges perioperatives Risiko. Bei diesen «Benchmark-Patienten» ergab sich bei Spitalaustritt ein medianer CCI® von 0, während der CCI® bei sogenannten Non-Benchmark-Patienten (mit höherem perioperativem Risiko) bei 20.9 lag. Ein CCI® von 20.9 entspricht einer Grad-II-Komplikation nach Clavien-Dindo, also zum Beispiel der Gabe eines Antibiotikums oder einer Bluttransfusion.
Es ist zu erwarten, dass der CCI® nach Ösophagektomie höher liegt als bei kleineren Eingriffen wie zum Beispiel einer Magenbypassoperation, da die perioperative Morbidität mit der Grösse des Eingriffs naturgemäss zunimmt. Zum Vergleich: Der mediane CCI® von Benchmark-Patienten lag in der Studie (Referenz 5), in der die Benchmark für Ösophagektomien bei 30 Tage nach Austritt definiert wurde, bei 8.7 und für Non-Benchmark-Patienten bei 20.9.